30.05.2017

Mehr und nicht weniger Europa. Die EU-Parlamentarierin Karoline Graswander-Hainz im Interview.

Mehr und nicht weniger Europa. Die EU-Parlamentarierin Karoline Graswander-Hainz im Interview.
Mehr und nicht weniger Europa. Die EU-Parlamentarierin Karoline Graswander-Hainz im Interview.

Auf Basis der letzten Europawahl (2014) stellt die SPÖ fünf der insgesamt 18 österreichischen Abgeordneten im Europäischen Parlament. Karoline Graswander-Hainz ist eine von ihnen. Im Juli 2015 löste die Tirolerin, langjährige Lehrerin und Volksschuldirektorin, Jörg Leichtfried in Brüssel und Straßburg ab.

Wir haben Karoline Graswander-Hainz gefragt, was sie antreibt, wie sie die Zukunft der EU sieht, wie es nach der CETA-Abstimmung weitergeht und was ihre persönliche Erfahrung zum Thema Gleichstellung ist.

Im Whitepaper zur Zukunft der EU27 hat die Kommission am 1. März fünf mögliche Szenarien skizziert. Was halten Sie davon? Welches Szenario wäre Ihre bevorzugte Variante?

Graswander-Hainz: Die Europäische Union war seit ihrer Gründung stets darum bemüht Frieden zu garantieren und eine bessere Zukunft für alle ihre BürgerInnen zu schaffen. Betrachtet man die aktuellen europäischen Entwicklungen, ist es durchaus sinnvoll, dass sich die EU-Kommission Gedanken über ein zukünftiges Europa mit 27 Mitgliedsstaaten macht. Die Präsentation des Weißbuches am 1. März war allerdings für uns SozialdemokratInnen enttäuschend, da die fünf Szenarien sehr vage formuliert und nicht mit konkreten Politikvorschlägen untermauert sind.

Ich würde mir ein vereintes Europa wünschen, das solidarisch und gemeinschaftlich an einer Weiterentwicklung der Union arbeitet, mit einer Stimme spricht und geeint nach außen auftritt. Klar ist, dass der Weg - ob mit verschiedenen Geschwindigkeiten oder nicht - in Richtung mehr und nicht weniger Europa führen muss. Dies verlangt gemeinsame Verpflichtungen und ein starkes Bekenntnis zur Europäischen Union. Das Europäische Parlament muss in den Gestaltungsprozess über die Zukunft Europas volleingebunden werden.

Das EU Parlament hat am 15. Februar grünes Licht für CETA gegeben. Sie haben gegen das Handelsabkommen der EU mit Kanada gestimmt - ist das Thema damit aus Ihrer Sicht abgeschlossen? Wie sehen Sie die Rolle der nationalen Ratifizierungen?

Graswander-HainzMit der Abstimmung am 15. Februar gehen sehr lange und intensive Verhandlungen zu Ende. Ich habe bis zuletzt dafür gekämpft, dass wir mehr Zeit im Europäischen Parlament bekommen, um ein besseres Freihandelsabkommen mit Kanada zu erreichen. Aufgrund der konservativen-liberalen Mehrheitsverhältnisse ist uns dies leider nicht gelungen. Am Tag der Abstimmung war das Ergebnis für mich nicht ausreichend und daher habe ich gegen CETA gestimmt.

Für uns EuropaparlamentarierInnen endeten die Verhandlungen über CETA mit der Abstimmung im Europäischen Parlament. Jetzt sind die nationalen Parlamente – darunter auch der Nationalrat – am Zug. Ich hoffe, dass im Rahmen der Ratifizierung in den Mitgliedstaaten noch weitere Verbesserungen am Text erzielt werden können, vor allem bei der Schiedsgerichtsbarkeit. Bei künftigen Verhandlungen über Handelsverträge sollte man aus den Fehlern von CETA lernen. Transparenz, ein klares Verhandlungsmandat sowie die Einbindung der Zivilgesellschaft sind dabei unabdingbar.

Internationaler Frauentag am 8. März - was bedeutet dieser Tag für Sie? Welche Unterschiede in punkto Gleichstellung erleben sie z.B. in Ihrem beruflichen Alltag zwischen Brüssel/Straßburg und Österreich? Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht?

Graswander-HainzDer Weltfrauentag bedeutet mir persönlich sehr viel, denn an diesem Tag wird darauf aufmerksam gemacht, dass Frauen die gleichen Rechte und die gleichen beruflichen Möglichkeiten haben sollten, wie Männer - faktisch ist das aber leider noch immer nicht der Fall. Frauen sind in vielen Bereichen der Gesellschaft, vor allem in der Arbeitswelt, nicht gleichberechtigt. Frauen verdienen gegenüber Männern erheblich weniger und sind seltener in Führungspositionen vertreten. Diese Schieflagen müssen beendet werden. Bewusstseinsbildung und die Auflösung der Stereotype des „Mann seins“ und auch des „Frau seins“ sind mir hierbei ein besonderes Anliegen.

In meinem beruflichen Alltag in Brüssel/Straßburg bewege ich mich in einem sehr internationalen und weltoffenen Umfeld. Dennoch müssen sich Frauen, die gut ausgebildet und kompetent sind, durch Fleiß und Mehrarbeit auszeichnen, um im politischen Geschehen wahrgenommen und anerkannt zu werden. Prinzipiell würde ich mir wünschen, dass mehr Frauen in unserer Gesellschaft in den Vordergrund treten und die Bemühungen um Gleichstellung und Gleichberechtigung in allen Bereichen des Lebens mit Nachdruck und Beharrlichkeit vorangetrieben werden.

Was treibt Sie persönlich an?

Graswander-HainzBereits als Jugendliche war es für mich enorm wichtig aktiv für die sozialdemokratischen Werte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität einzustehen und mich dahingehend zu engagieren. Mindestlohn versus Managergehälter, öffentliche Schulen versus Privatschulen - die Kluft zwischen Arm und Reich geht leider immer weiter auseinander und nicht alle Teile der Gesellschaft haben die gleichen Chancen und Möglichkeiten. Es ist daher unsere Aufgabe uns um die Benachteiligten, die Abgehängten zu kümmern und für gleiche Bedingungen und Voraussetzungen zu sorgen. Allen Menschen müssen die gleichen Chancen eingeräumt werden, um bestmögliche Lebensverhältnisse zu erreichen. Hier spielt der Zugang zu Bildung, Aus- und Weiterbildung eine essentielle Rolle.

Herzlichen Dank für das Interview.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zum Schwerpunkt EU.

Interview: Mag. Dr. Michaela Amort, MES

Foto: Pressefoto

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